Angst vor dem Internat? Weil dort Strenge, Disziplin und Maßregelungen vorherrschen? Mit solchen und anderen Vorurteilen räumt ein poetischer und fesselnder Imagefilm auf, den der erfolgreiche Poetry-Slammer Lars Ruppel zusammen mit seinem Bruder Ole produziert hat. Mit den richtigen und gleichzeitig berührenden Worten wollen die beiden zeigen, was Internate wirklich sind: schöne und vielschichtige Orte, an denen Kinder und Jugendliche zum Autor ihren eigenen Geschichte werden und an denen ihnen Flügel wachsen.

Bloß keine Angst vor dem Internat

„Wenn das so weitergeht, schicken wir dich aufs Internat.“ In manchen Köpfen mag dieses Bild noch existieren: Das Internat als furchtbar strenger Ort. Etwas, womit Eltern ihren Kindern drohen können, wenn diese schlechte Noten haben. Allen, die selbst im Internat waren, dürfte so etwas nur ein müdes Lächeln entlocken. Die meisten Schülerinnen und Schüler bleiben ein Leben lang mit ihren Internaten verbunden. Warum das so ist? Erklärungsansätze bietet ein neuer Imagefilm, der Internate auf poetische Weise ins richtige Licht rückt.

Initiiert hat den Kurzfilm „Die Internate Vereinigung“ (DIV), der Text dazu stammt von Lars Ruppel, einem der bekanntesten Vertreter des deutschen Poetry-Slam – literarische Wettbewerbe, bei denen selbstverfasste Texte vorgetragen werden und die Zuhörer die Sieger küren. Ruppel, der in Berlin lebt, hat schon oft gewonnen, unter anderem 2014 in Dresden den Einzelwettbewerb des deutschsprachigen Poetry Slams. Für ihn sind Internate Orte, an denen Kinder und Jugendliche zum Autor ihrer eigenen Geschichte werden.

Romantische Bilder, poetische Texte

Der Imagefilm „Internate – Schreib deine Zukunft“ besticht durch romantische Bilder, die Lars Bruder Ole Ruppel (27) eingefangen hat: eine alte Bibliothek, ein Mädchen, das mit ihrem Pferd über ein Hindernis fliegt, Jugendliche, die für ein Theaterstück proben, gemeinsam lernen, durch wunderschöne Natur streifen. Und der Film berührt durch den Text von Lars Ruppel. Der 35-Jährige, der selbst nie im Internat war, findet genau die richtigen Worte, um zu beschreiben, was das Lernen und Leben im Internat für viele Schülerinnen und Schüler so besonders macht. „Jedes Wort, das dort steht, hast du selber kreiert. Hast Träume gehabt und sie ausformuliert, hast der Geschichte Leben eingehaucht. Bist mit Kopfsprung in dein eigenes Leben getaucht“, heißt es da etwa. „Du hast Orte gesehen, von denen die meisten nur lesen. Da waren Schlösser von Wald und Weiten umgeben, da waren ganze Dörfer zum Lernen und Leben.“

Wandel der Internate

Die Idee zu dem Imagefilm hatte Björn Gemmer, Schulleiter der „Steinmühle – Schule und Internat“ in Marburg, eine von mehreren renommierten Internatsschulen in Deutschland und der Schweiz, die sich zur „Die Internate Vereinigung“ (DIV) zusammengeschlossen haben. Der Film sollezeigen, dass ein Wandel stattgefunden hat. „Bei manchen mag es noch die Vorstellung geben, dass man in England ins Internat darf und in Deutschland ins Internat muss“, so Gemmer. Aber das stimme nicht mehr. „Die Internate haben sich in den letzten Jahren stark verändert, haben Qualitäts- und Schutzkonzepte etabliert und bieten ein breites Bildungsangebot, das öffentliche Schulen und Halbtagsschulen mit Betreuungsangeboten für den Nachmittag nicht bieten können – gerade im Bereich der Begabtenförderung und bei nicht rein kognitiven Angeboten“, so der Schulleiter. In ihnen könnten Kinder und Jugendliche zu starken Persönlichkeiten werden und so „in einer globalisierten und digitalisierten Welt glücklich und erfolgreich sein“.

Identität stiften, Emotionen wecken

Imagefilme seien nichts Neues, so Gemmer. „Doch dieser Film ist etwas Besonderes. Die Mitgliedsschulen der DIV möchten damit keine Werbung für ein bestimmtes Internat machen, sondern die Internatsidee im Allgemeinen bekannt machen.“ Außerdem spreche er direkt die Schülerinnen und Schülern an. Denn die seien heute autonomer und selbstbewusster und hätten häufig selbst die Möglichkeit, über ihre Zukunft zu bestimmen. „Ein Internatsbesuch ist ein sehr attraktiver Weg, diese Zukunft zu schreiben. Der Begriff des ‚Schreibens‘, der für Schülerinnen und Schüler eine große Alltagsrelevanz hat, wird bewusst im Filmtitel verwendet und ist natürlich auch mit dem Schreiben eines Gedichtes eng verbunden. Tja, und wenn schon Poesie, dann doch adressatengerecht von einem Poetry-Slammer erschaffen“, so Gemmers Fazit, der – wie jeder in oder um Marburg – den gebürtigen Hessen Lars Ruppel seit den frühen 2000er Jahren kennt und schätzt. Der Film, der aufgrund von Corona in einer Videokonferenz präsentiert und auf YouTube der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, soll Emotionen wecken. Identität stiften und Motivation für das eigene Tun schaffen. Genau das ist gelungen. Lob, Begeisterung, Ergriffenheit – das seien die häufigsten Reaktionen sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern, sagt Gemmer.

Es könnte sich in der Tat lohnen, die eigene Geschichte zu schreiben. Damit es am Ende ist wie in Ruppels Text: „Und die, die das lesen, sind davon fasziniert. Ist dir das alles auch wirklich passiert? Und du weißt, dass es stimmt, weil dein Herzschlag noch bebt. Du hast nie nur gelernt. Das hast Du alles erlebt.“ Brigitta Wenninger