Distanzunterricht, die Zweite – eigentlich wäre genug Zeit gewesen, um die Schulen für den erneuten Distanzunterricht entsprechend zu wappnen.  Zumal die Erfahrungen im Frühjahr extrem lehrreich waren. Der Schulstart nach den Weihnachtsferien lief zwar besser als erwartet, war aber dennoch holprig, das Ende ist offen. Im Herbst hatten wir bei einigen Privatschulen nachgefragt, wie sie die Umstellung auf den Distanzunterricht bewältigt haben und welche Erfahrungen mit Onlineunterricht gemacht wurden.

Problemlose Umstellung auf Onlineunterricht

Gut gewappnet für die ungewohnte Situation waren und sind nach wie vor viele private Schulen und Internate. Dort war die Digitalisierung schon vor der Pandemie ein wichtiges Thema, so dass die Umstellung auf Online-Unterricht nur wenig Probleme verursachte. Optimal gelang dies zum Beispiel im Landheim Ammersee in Schondorf. Zu dem Internat gehören eine Grundschule und zwei Gymnasien. „Die wichtigste Erfahrung für uns ist die, dass Lernen auch ohne Präsenzunterricht genauso erfolgreich möglich ist – wenn man auf den reinen fachlichen Wissenserwerb blickt“, berichtet Rüdiger Häusler, Stiftungsleiter im Landheim Ammersee.

Es habe Schüler gegeben, die vom Online-Unterricht sehr profitiert hätten, erzählt Häusler. Weil sie unabgelenkt und dadurch konzentrierter und besser lernen konnten. „Die Aussage trifft allerdings nur zu, wenn man Lernen als akademisches Lernen definiert“, schränkt er ein. In der Schule gehe es aber auch darum, sich soziale Kompetenzen anzueignen. „Genau dieses andere Lernen und die Kompetenzorientierung – all das spielt sich in besonderem Maße dann ab, wenn Menschen zusammenkommen. Und deswegen ist dies absolut alternativlos.“

Hochqualifizierte, innovative Lehrkräfte

Problemlos gelang die Umstellung auf digitalen Unterricht auch in der Bavarian International School (BIS), die über zwei Campus-Standorte verfügt: in Haimhausen und in München- Schwabing. Es sei klug gewesen, als Bavarian International School bereits seit 2002 in das Thema Educational Technology zu investieren, sagt Schuldirektorin Dr. Chrissie Sorenson. „Das bedeutet 1:1-Programme mit iPads und MacBooks, ein eigenes IT-Team mit Helpdesk und hochqualifizierte, innovative Lehrer als Basisvoraussetzungen für erfolgreiches Distance Learning.“

Weitere entscheidende Faktoren seien maßgeschneiderte Konzepte je Klassenstufe, die bewusste Balance zwischen Online und Offline, soziale Interaktion und Impulse zur sportlichen Bewegung. „Es hat sich gezeigt, dass viele Schüler mit der neuen Selbstbestimmung gut klar kommen, weil sie unabhängiger, individueller und flexibler lernen konnten“, berichtet Sorensen. Nicht erst in Zeiten von Corona sei festgestellt worden, dass die psychologische, emotionale und soziale Begleitung, das Wohlbefinden und die Wertevermittlung einen noch größeren Stellenwert bekommen.

Großer Schub für den Einsatz digitaler Medien

Die SABEL Schulen in München meisterten die Situation ebenfalls gut. „Für Lehrer und Schüler war der erste Lockdown mit spontaner Umstellung auf den Distanzunterricht – wie Online-Unterricht jetzt genannt wird – eine große Aufgabe. Diese wurde von unserem Team sehr gut gelöst, weil sich eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt hat“, berichtet Heinz Rösner, Schulleiter der Privaten SABEL Wirtschaftsschule München. Für den Einsatz digitaler Medien habe der Lockdown einen großen Schub gegeben. Bis zum Schuljahresende sei der Medieneinsatz im Unterricht deutlich erweitert worden.

Pandemie ist „Digital-Turbo“ für die Lehrer

„Die Kollegen nehmen seit dem vergangenen Halbjahr verstärkt die Online-Schulungsangebote der Akademie für Lehrerfortbildung wahr, die vom Ministerium stark aufgestockt wurden“, so Rösner. Damit sei eine Weiterentwicklung zu sehen, welche Digitales in den Unterricht integriert und im verbindlichen Mediencurriculum seinen Niederschlag findet. „Die Pandemie war so gesehen ein ,Digital-Turbo‘ für die Lehrer. Von Seiten der Schüler hatten wir während des Lockdowns alles zwischen den beiden Extremen ,immer online‘ und ,untergetaucht‘. Einige mussten erst erkennen, dass sie auch Unterricht haben können, ohne in die Schule zu gehen“, schildert Rösner. Hier seien die Klassenleitung, Fachlehrer und Schulsozialarbeit gefragt gewesen, um einigen Schülern und Eltern zu vermitteln, dass der Stundenplan weiter gilt. Bei den meisten habe die Teilnahme aber sehr gut funktioniert.

Auffallend sei gewesen, „dass viele ihre Mitschüler vermissten, und dass die digitalen Kontakte nicht die persönlichen ersetzen können“. Für Rösner steht fest: „Das Unterrichten wird nach der Pandemie nie mehr so sein wie zuvor.“ Die Zukunft des Lernens liege in einer guten Mischung aus allem: „Präsenz- und Distanzunterricht, Buch und App, Schreibblock und Tablet, Kreide und Pen – immer da, wo es passt und sinnvoll ist.“

Neue digitale Lernwelten werden betreten

Die Zeit der Pandemie war und ist eine Zeit der Entbehrungen – auch für die Schulfamilie, sagt Beate Reitlinger, Schulleiterin des Privatgymnasiums Dr. Florian Überreiter von der Münchner Schulstiftung Ernst v. Borries. Es sei aber auch eine Zeit der Entdeckungen. „Lehrkräfte verlassen alte analoge Pfade, neue digitale Lernwelten werden betreten“, erklärt sie. Schülerinnen und Schüler könnten eigenverantwortlich und medienbasiert lernen – das sei eine spannende Erfahrung. Doch trotz der vielfältigen und wertvollen digitalen Möglichkeiten, die auch den Schülerinnen und Schülern des Privatgymnasiums Dr. Florian Überreiter zur Verfügung stünden, habe sich gerade auch in den vergangenen Monaten etwas wichtiges gezeigt: „Lehrkräfte sind nach wie vor nicht durch Computer zu ersetzen, für den Lernerfolg ist gerade auch die Beziehungsebene von zentraler Bedeutung“, bekräftigt Reitlinger. So ist das Fazit vieler Schulleiterinnen und Schulleiter: Online-Unterricht funktioniere vielfach gut, habe aber dennoch Defizite. Denn soziale Kompetenzen können digital kaum vermittelt werden. Letztlich gehe nichts über das Schulleben und den Präsenzunterricht.
Brigitta Wenninger

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