Digitalisierung im Unterricht bildet eine optimale Ergänzung bei der Vermittlung von Lerninhalten. Was sich für guten digitalen Unterricht ändern müsste, haben wir drei Experten aus dem Bereich Didaktik und Pädagogik befragt. Unter Ihnen Jochen Kuhn, Professor und Leiter der AG Didaktik an der Technischen Universität Kaiserslautern im Fachbereich Physik, gefragt. Er arbeitet an der Entwicklung innovativer Lehr-Lernformate mit Zukunftstechnologien und sagt: „Digitale Medien sollen nicht einfach alte Hilfsmittel ersetzen. Sie sollen die Möglichkeiten des Lernens ergänzen, neu definieren – und irgendwann Werkzeuge sein, die ganz selbstverständlich für SchülerInnen und Lehrkräfte sind.“
Lerninhalte werden komplexer verarbeitet
Ein Beispiel für eine solche Lernerweiterung erklärt Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Er ist Autor des Buchs „Lernen 4.0“: „Statt dass Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht jeder für sich eine Geschichte schreiben, könnten sie das im Team machen. Und die Geschichte verfilmen“, sagt der 44-Jährige. „So gäbe es nicht nur die Erzählperspektive, sondern auch ein Drehbuch, Gedanken über die Abfolge der Dialoge, über den Schnitt und die Kameraeinstellungen.“ Das sei komplexer und bringe in die Klassen neue Elemente der Kooperation. Zusätzlich ziehe es eine bessere Durchdringung des Lerninhalts nach sich – und setze die richtige Herausforderung für echten Bildungserfolg.
Entscheidend dafür ist laut Zierer neben dem richtigen Maß an Herausforderung auch die Beziehung zwischen SchülerInnen und LehrerInnen – und die richtige Motivation. Sein Fazit: Digitalisierung könne eine Chance für Schule sein – wenn sich die Herangehensweise an den Unterricht verändere. Zudem brauche es eine gemeinsame Vision bei der Frage, was Bildungserfolg ist. Dafür brauche es aber in der LehrerInnenbildung mehr Didaktik, mehr Pädagogik und mehr Teamgeist – und entschlackte Lehrpläne.
Teamarbeit mit Fokus auf Selbstständigkeit
Der Meinung ist auch Sebastian Schmidt, Lehrer des Jahres 2019, der an der Inge-Aicher-Scholl-Realschule in Pfuhl unterrichtet. Gemeinsam mit 36 Kollegen und Kolleginnen arbeitet er für sein Projekt „Lernbüro kooperativ – digital“ zusammen. „Wir müssen mit den Schülerinnen und Schülern mehr in den Dialog und in die Teamarbeit gehen. Der Fokus sollte auf ihrer Selbstständigkeit liegen und darauf, dass man probieren, sich austauschen und Fehler machen darf – weil man daraus lernt. Das ist es ja auch, was sie später im Beruf brauchen.“
Erst Impulse für Lernprozesse setzen und die Schüler dann dabei begleiten – Sebastian Schmidt stellt sich das so vor: „Wenn SchülerInnen in Gruppen eine Lösung für eine Aufgabe erarbeiten, wird miteinander diskutiert. Dann gibt das Lehrpersonal Rückmeldung – zu fünf Gruppen, anstatt zu 25 Schülern. Das wäre sehr effizient, ob im Präsenzunterricht in verschiedenen Räumen oder beim Homeschooling in Chatgruppen“. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Schüler und Schülerinnen erwerben Medienkompetenz und lernen, seriöse Quellen zu erkennen und diese von „Fake News“ zu unterscheiden.
Heike Steiner