Schulen im Lockdown: Die Klassenzimmer sind leer, unterrichtet wird online, gelernt und gelehrt von zu Hause aus. Doch was bedeutet das zum Beispiel für Berufsfachschulen? Dort werden Schülerinnen und Schüler in Vollzeit ausgebildet. Praxisbezogener Unterricht ist also elementar wichtig, nur so kann genügend berufliches Know-how vermittelt werden. Geht das auch im Distanzunterricht?
„Vollzeitschulen wie zum Beispiel Berufsfachschulen bieten in der Zeit der Schulschließung im Distanzunterricht die mit der Ausbildung verbundenen Theorieanteile verstärkt an, um sich bei einem einsetzenden Wechsel- beziehungsweise Präsenzunterricht verstärkt mit den Praxiselementen der Ausbildung zu beschäftigen“, erklärt Daniel Otto, Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Er versichert: „Die Rückmeldungen, die wir hierzu erhalten, sind in den allermeisten Fällen positiv.“
Die Situation an den Berufsfachschulen sei vergleichbar mit anderen Schularten. „Oftmals wird die Vermittlung fachpraktischer Unterrichtsinhalte hierbei auf die Zeit verlagert, in der Wechselunterricht- oder Präsenzunterricht wieder möglich sind“, so Otto.
„Auch in den Berufsfachschulen bedienen sich unsere Lehrkräfte einer Vielzahl technischer und pädagogischer Werkzeuge. Dabei möchten wir betonen: In der Didaktik gibt es niemals nur einen Weg, um ein Lernziel zu erreichen – und das gilt für den Distanzunterricht genauso wie für den Präsenzunterricht“, sagt Otto. Bei den digitalen Werkzeugen wählten die Schulen aus dem vorhandenen breiten Repertoire aus. In der Unterrichtsgestaltung und Organisation könne im Pandemiefall neben anderen Formen wie reinem Distanz- oder Wechselunterricht auch Hybridunterricht ermöglicht werden.
Herausforderungen gemeinsam gut gemeistert
In Bayern gibt es viele verschiedene Berufsfachschulen. Eine davon ist die BODE Schule in München, eine staatlich anerkannte Berufsfachschule für Gymnastik, Tanz und Sport. Bereits bei der ersten Schulschließung im März wurde dort sofort auf Onlineunterricht umgestellt. „Wir begannen damals, die Plattform Microsoft Teams bei der Ausbildung einzusetzen“, berichtet die Gymnastik-Lehrerin Sabrina Fitsch. Es hatten sich neue Herausforderungen ergeben, „die wir gemeinsam mit dem Lehrerteam und den Schülern gut gemeistert haben und derzeit meistern“, sagt sie. Auch Fitsch unterrichtet ihre Schülerinnen und Schüler derzeit von zu Hauses aus – via Laptop. Kein Problem, denn Gymnastikübungen und Langhanteltraining zum Beispiel sind auch in den eigenen vier Wänden möglich.
„Die Ausbildung zur staatlich geprüften Gymnastiklehrkraft ist zu zwei Dritteln praktisch und zu einem Drittel theoretisch“, sagt Fitsch. „Natürlich können wir die Bewegungsunterrichte nicht in vollen Umfang laufen lassen, aber hierfür haben wir gute Lösungen gefunden.“ Teils werde derzeit mehr Theorie unterrichtet. Gleichzeitig würden die Schüler momentan Onlineaufgaben er- und bearbeiten. „Sie erstellen zum Beispiel Videoaufnahmen von Bewegungssequenzen, die sie zu Hause selbst entwickeln“, so Fitsch „Alles, was im Rahmen und auf kleinem Raum durchgeführt werden kann, ist auch von Bildschirm zu Bildschirm machbar“, erklärt die Gymnastiklehrerin. Bei Sportarten, die mehr Platz erforderten, erfolge stattdessen ein passendes Ersatz- oder Zusatztrainung. „Und wenn das Netz mitspielt – was leider nicht immer wie geschmiert funktioniert – dann läuft es.“
Gesangsunterricht erfolgt per Video-Chat
Ähnliche Erfahrungen wurden an der Neuen Jazzschool München gemacht: „Was an unserer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Rock, Pop und Jazz relativ problemlos funktioniert, ist der Gesangs- und Instrumentalunterricht per Video-Chat und der Onlineunterricht in Theoriefächern wie Harmonielehre oder Musikgeschichte – auch wenn manche Schülerinnen und Schüler immer wieder mit einer instabilen Internetverbindung zu kämpfen haben“, schildert der Berufsfachschuleiter Franz-David Baumann, der außerdem Trompeter, Komponist und Arrangeur ist.
„Angeregt durch den Austausch mit Partnerschulen hatten wir uns schon im Herbst 2019 mit den Voraussetzung und Möglichkeiten online zu unterrichten beschäftigt“, erklärt Baumann. „Deshalb hatten wir eine Software-Lösung parat, die wir sofort zu Beginn des ersten Lockdowns nutzen konnten.“ Natürlich lasse sich die Körperhaltung etwa beim Singen oder Trompete spielen im Video-Unterricht nicht wirklich gut überprüfen, weil jeder Schüler dazu Kameras mit unterschiedlichen Perspektiven bräuchte. Und auch als Lehrer könne man bestimmte technische Aspekte am Instrument nicht ganz so gut zeigen.
„Ein wichtiger Aspekt unserer Ausbildung zum staatlich geprüften Ensembleleiter bleibt allerdings gerade völlig auf der Strecke: miteinander Musik zu machen“, bedauert der Berufsfachschulleiter. „Dazu fehlen aktuell einfach die technischen Möglichkeiten.“ Wegen der Latenz, also der Zeitverzögerung bei der digitalen Übertragung akustischer Signale, könnten Bands oder Chöre nicht miteinander arbeiten. „Unsere Schülerinnen und Schüler können also eine Chor- und Bandprobe nur in der Theorie vorbereiten und erklären, wie sie das ganze anleiten würden“, so Baumann. „Im Fach Ensemblespiel sind wir dazu übergegangen, dass wir Aufnahmen und Arrangements analysieren, jeder mal eine Stimme alleine spielt oder singt.“ Ein ganz wesentlicher Teil der Ausbildung komme also leider schon etwas zu kurz. „Aber wir bleiben im Kollegium gemeinsam dran und probieren, auch dafür technische Lösungen zu finden.“
Kurzweiliger und anschaulicher Unterricht
Kaum Probleme bereitet der Lockdown der SABEL Berufsfachschule für Kaufmännische Assistenten Fachrichtung Informationsverarbeitung sowie der GBS Berufsfachschule für Technische Assistenten für Informatik. „Schon aufgrund ihres breit aufgestellten Bildungsangebots schaffen sie es, nahtlos von Präsenz- auf Live-Online-Unterricht in allen Klassen und Fächern zu switchen“, erklärt Sibyll Moldenhauer, Dozentin bei den SABEL Schulen. Der aktuelle Stundenplan werde eins zu eins übernommen, gearbeitet werde mit der Plattform Microsoft Teams. „Die Lehrkräfte setzen dabei verschiedene digitale Hilfsmittel und Werkzeuge ein, um den Unterricht so kurzweilig, anschaulich und schüleraktiv wie möglich zu gestalten.“
Auf Praxisnähe müsse nicht verzichtet werden. „Obwohl es eine schulische Ausbildung ist – also ein fester Ausbildungsbetrieb hier nicht integriert ist wie normalerweise im dualen System – ist beispielsweise die Ausbildung zum Technischen Assistenten für Informatik mindestens zu 80 Prozent eine praktische Ausbildung, denn die Schüler lernen in den Kernfächern durchgehend am PC anhand aktueller branchenüblicher Software und Plattformen“, so Moldenhauer. Und: „Zum Lehrplan beider schulischen Berufsausbildungen gehören üblicherweise am Schuljahresende Praktika. Die sind online möglich, für die zukünftigen Technischen Assistenten für Informatik ist das während des Lockdowns gar kein Problem.“
Dass die Schüler gut gewappnet sind, kommt auch andernorts gut an. Dagmar Walddobler, Schulleitung der GBS Berufsfachschule für Technische Assistenten für Informatik, bekommt regelmäßig Anfragen. „Momentan suchen IT Unternehmen verzweifelt studentische Projektunterstützung in mehreren Bereichen. Meine Schüler sind gefragt wie nie. Schon allein deshalb, weil sie breit aufgestellt und fit sind auf den Gebieten Systemintegration, Daten- und Prozessanalyse sowie digitale Vernetzung.“ Für sie ist das ein klarer Vorteil gegenüber der dualen Ausbildung des Fachinformatikers, bei der sich der Auszubildende für einen der oben genannten Schwerpunkte entscheiden muss.
Auch im Distanzunterricht mit täglichem Stundenplan
Eine positive Bilanz in Sachen Distanzunterricht wird auch in der inlingua Berufsfachschule für die Ausbildung zum staatlich geprüften Fremdsprachenkorrespondenten gezogen. „Alles in allem läuft es sehr gut, und zwar für alle Seiten“, sagt die Geschäftsführerin Claudia Carvalho. „Unsere Schüler haben wie im Präsenzunterricht einen täglichen Stundenplan, der die für die Fremdsprachenkorrespondenten-Ausbildung relevanten Fächer enthält.“ Der einzige Unterschied: „Statt zu uns an den Sendlinger-Tor-Platz zu kommen, loggen sie sich morgens von zuhause aus in Microsoft Teams ein und treffen dort ihre Fachlehrer online in Videokonferenzen.“
Laut Carvalho profitieren sie dabei von den kleinen Klassen. Denn so falle die Betreuung durch das Lehrerteam viel individueller aus. Jeder habe die Möglichkeit, aktiv im Unterricht mitzuarbeiten, das sei immer gut für die Performance. „Die Noten werden, wie bei allen staatlich anerkannten und staatlichen Schulen, zur Zeit mündlich gemacht“, so Carvalho.
Die Lehrkräfte hätten bereits im Frühjahr 2020 mit Begeisterung an Schulungen teilgenommen. „Inzwischen werden die sich bietenden Möglichkeiten immer mehr eingesetzt“, erklärt Carvalho und ergänzt: „Vor kurzem konnten – dank finanzieller Förderung durch den Staat aus dem Digitalpakt – moderne Notebooks angeschafft werden.“ Diese würden bei Bedarf von den Schülern auch für den Distanzunterricht mit nach Hause genommen. „Hausaufgaben können innerhalb von Microsoft Teams abgegeben werden, ebenso können dort Nachrichten ausgetauscht werden. Mebis brauchen wir also nicht einzusetzen“, sagt Carvalho. Brigitta Wenninger