Über ein Jahr lang schon kämpfen Menschen mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Auch Bildung zu vermitteln, ist schwieriger geworden. Relativ gut sind allerdings bisher Internate und Privatschulen durch die Krise gekommen. Agil und flexibel haben sie sich schnell auf die neuen Herausforderungen und ständig wechselnden Vorschriften eingestellt. Wir haben uns bei einigen privaten Schulen und Internaten in Bayern umgehört und nach den Erfahrungen und Strategien gefragt.

Landheim Ammersee: Keine Stunde fällt aus

Lockdown, Lockerungen und wieder Lockdown – für viele Schulen bedeutet das ein ständiges Hin und Her zwischen Präsenz-, Hybrid- und Onlineunterricht. Dauernd wechseln zu müssen, sei lästig, sagt Rüdiger Häusler, Stiftungsleiter im Internat Landheim Ammersee in Schondorf. Und schiebt nach: „Aber im Großen und Ganzen war das für uns weniger ein Problem, weil wir von Beginn an zwei grundlegende Entscheidungen getroffen hatten: In keinem Fach darf eine Unterrichtsstunde ausfallen, und die Schülerinnen und Schüler brauchen eine klare Struktur.“ Die Struktur war in dem Fall der aktuelle Stundenplan der Schule. An ihm wurde eisern festgehalten. „Durch diese Maxime war von vornherein klar, dass wir nur technisch hin- und herschalten müssen, nicht aber inhaltlich und curricular, also den Lehrplan betreffend“, so Häusler.

Schon bei der ersten Schulschließung im Frühjahr reagierte das Landheim Ammersee sofort. Als Online-Plattform wurde Microsoft Teams eingerichtet. „Die einzigen unguten Erfahrungen, die wir sammelten, bezogen sich auf das Thema Hybrid“, sagt Häusler. Gemeint ist die Kombination von Präsenz- und Online-Unterricht. „Wir haben schnell festgestellt, dass Hybrid ein schönes Wort ist, aber letztendlich der Situation nicht gerecht wird“, so der Stiftungsleiter. Aus diesem Grund sei dann versucht worden, sukzessive entweder online oder in Präsenz zu unterrichten. „Mit dieser Klarheit sind wir sehr gut gefahren.“

Inzwischen ist die Internatsschule für alle Eventualitäten gut gewappnet. „Insofern herrscht bei uns jetzt auch große Gelassenheit bei dem Thema. Egal welche Inzidenzen kommen – der Schalter wird dann eben wieder von links nach rechts oder von rechts nach links gelegt“, verdeutlicht Häusler. Das Landheim profitiere auch von seinen kleinen Klassen. „Da haben wir Glück und sind deswegen kaum von Wechselunterricht betroffen“, sagt Häusler. Um für alle Präsenzunterricht anbieten zu können, seien auch Schulräumlichkeiten entsprechend hergerichtet worden. „Wir haben einen komplett neuen Raumnutzungsplan erstellt, unter Einbeziehung aller Kapazitäten – inklusive Vortragssaal und Aula zum Beispiel.

Einige der Landheim-Schülerinnen und -Schüler konnten wegen der Pandemie ein ganzes Jahr lang nicht mehr nach Hause zu ihren Familien fahren. Für sie wurden besondere Zusatzangebote in den Ferien geschaffen. „Wir wollen im Bereich der internatlichen Betreuung den Eltern der Schülerinnen und Schülern eine maximale Zuverlässigkeit bieten“, erklärt Häusler. „Sie sollen wissen, dass wir uns darum kümmern, dass Kinder während der Krise auch in Ferienzeiten gut betreut sind.“

Ganz wichtig ist im Landheim Ammersee auch, dass sich dort eben nicht nur alles um den Unterricht dreht. „Warum gehen Kinder und Jugendliche zur Schule, diese Frage muss man sich immer wieder stellen“, sagt Häusler. Es gehe eben nicht nur um den akademischen Wissenserwerb, sondern um das soziale Lernen und die Erfahrung von Gemeinschaft. Er meine damit nicht nur das Positive. „Man wächst ja an den Herausforderungen im Jugendlichsein und Erwachsenwerden.“ Das Internat konnte jedenfalls auch in der Hinsicht seine Stärken ausspielen: Indem es das soziale Lernen weiter ermöglichte.

Die Schwierigkeiten im zurückliegenden Jahr wurden im Landheim Ammersee in erster Linie „mit Humor, Zuversicht und Kreativität bewältigt“, so Häusler. Wo Möglichkeiten wegbrachen, seien neue Räume entstanden. Räume, die gefüllt wurden „mit neuen Highlights, mit neuen Geschichten, mit genau dem, was die Schüler vermissen“. Die Jugendlichen hätten zum Beispiel in der Krise viel mehr Sport gemacht als vorher. Auf dem Gelände sei eine Eisbahn gebaut worden. Eine besondere Überraschung war ein Döner-Wagen, den die Internatsleitung organisiert hatte. Für die Schüler eine willkommene Abwechslung. Zudem hätten Aktivitäten wie gemeinsames Kochen, Nähen und Handwerken eine Renaissance erlebt. „Bei uns ist das alles in einer ruhigen, fast schon familiären Atmosphäre möglich“, sagt Häusler.

Er will nichts beschönigen: „Es war und ist nicht immer einfach.“ Lerndefizite gebe es zwar kaum, Defizite im sozialen Miteinander sehr wohl. Nicht alles lasse sich nachholen, dennoch stehe fest: Kinder und Jugendliche im Internat sind in der Krise oft weniger allein als andere. Während die einen daheim einsam in ihren Zimmern sitzen, ist innerhalb der Internats-Hausgemeinschaften mehr soziales Miteinander möglich: zusammen Fußball spielen, Zeit mit Gleichaltrigen verbringen, gemeinsam etwas unternehmen.

Dass vieles dort besser läuft, hat sich längst herumgesprochen. Die Folge ist eine steigende Nachfrage nach Internatsplätzen. „Wir haben das spürbar gemerkt“, berichtet Häusler. In einer ersten Phase hätten sich vor allem Eltern gemeldet, die Angst hatten, dass ihr Kind in Sachen Bildung abgehängt wird. In einem zweiten Schub waren die Anfragen und Anmeldungen anders motiviert. Es ging dabei eher um das Thema Gemeinschaft. „Wir haben auch unseren externen Tagesheim-Schülern das Angebot gemacht, ganz ins Internat zu kommen. Davon haben einige Gebrauch gemacht, denen ist zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen,“ erzählt Häusler.

Domspatzengymnasium: Umstieg schnell geschafft

Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Herausforderungen wurden auch im Gymnasium des weltberühmten Knabenchors Regensburger Domspatzen gut bewältigt. „Wir versuchen auch online die Balance zwischen Anforderung und Entspannung hinzubekommen. Hier arbeiten wir mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Internat Hand in Hand“, erklärt Christine Lohse, Schulleiterin des Domspatzengymnasiums. Es gehe nicht ums reine Pauken, sondern auch darum, den Schülern die nötige Atmosphäre zu bieten – „so gut das eben online geht“, sagt Lohse. „Als relativ kleine und familiäre Schule haben wir den Umstieg auf digitale Formate schnellgeschafft“, berichtet auch Marcus Weigl, Sprecher der Domspatzen.

„Dieses Feld war für uns natürlich auch neu, aber wir haben aus dem ersten Lockdown schnell gelernt“, sagt Weigl. „Alle unsere Lehrer wurden entsprechend weitergebildet. Wir sind digital bestens ausgestattet und haben uns rasch auf eine einzige, zuverlässige Technik verständigt.“ Singen gehöre für die Domspatzen zum Profil. Klar, dass die Technik dem auch Rechnung tragen muss. Wichtig sei zudem gewesen, die Eltern miteinzubeziehen. „Von dort bekamen wir manch wertvolle Hinweise. Die Rückmeldungen aus den letzten Monaten geben uns Recht. Sie sind sehr positiv“, so Weigl. Die Kinder seien jeden Tag beschäftigt und hätten eine klare Tagesstruktur. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass diese Situation belastend sei, gerade, weil die persönliche Begegnung, der soziale Austausch fehle.

„Wir versuchen, so oft wie möglich und nötig, für unsere Schüler auf mehreren Kanälen ansprechbar zu sein“, schildert der Sprecher. An der vergleichsweise kleinen und familiären Schule kenne jeder jeden beim Namen. Hinzu kommt noch etwas: „Durch die gemeinsamen Chorauftritte wachsen unsere Jungs klassenübergreifend zusammen. Man weiß voneinander.“ Der „soziale Kitt“ sei also am Gymnasium der Domspatzen besonders stark. Der soziale Austausch habe einen hohen Stellenwert und werde auch in diesen Zeiten weiter gepflegt. „Gerade bei Distanz- oder Wechselunterricht kommt uns die Struktur des Internats zugute“, erklärt Weigl. Nach dem Schulunterricht warteten auf die Schüler regelmäßig die pädagogischen Fachkräfte aus dem Internat mit ihren kreativen Angeboten und das auch online: Vom Fitness-Mitmachprogramm über die gemeinsame Teestunde und das Kochen bis hin zur individuellen Hausaufgabenbetreuung sei alles dabei. „So bleiben die Schüler in Kontakt, die Eltern werden gleichzeitig entlastet, da sie ihre Kinder sinnvoll beschäftigt und weiter gefördert wissen“, sagt der Sprecher.

Kontakt und Austausch finde bei den Mahlzeiten und in der Freizeit statt. Dazu gebe es für die Domspatzen großzügige Freiluft-Sportanlagen und auch ein eigenes Schwimmbad. „Das alles findet freilich unter klar festgelegten Corona-Regeln statt, immer in Absprache mit den Gesundheitsbehörden. Wir haben also letztlich eine geschützte Schul- und Lebenssituation, in der die Eltern ihre Kinder sicher aufgehoben wissen“, so Weigl und ergänzt: „Die Internatskinder wohnen quasi in der Schule und brauchen keine öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.“ Ein weiterer Pluspunkt: „Durch unsere Partnerschaft mit der renommierten Kinderklinik St. Hedwig der Barmherzigen Brüder in Regensburg werden die Jungs bald täglich auf Corona getestet, mit PCR-Tests.“Schutzmaßnahmen und Hygienekonzepte seien erprobt und etabliert.

Musik in Form von Stimmbildung, Instrumentalunterricht und Chorprobe – alles online – komme zum Nachmittagsprogramm hinzu. Musik und Chor seien Medizin für die Seele. „Aber es bleibt auch festzustellen: Gemeinsames Singen im Chor ist online nicht machbar und durch nichts zu ersetzen“, betont Weigl.

Gymnasium und Internat Kloster Schäftlarn

Besondere Strategien wurden auch im Gymnasium und Internat Kloster Schäftlarn erarbeitet. „Bereits zu Beginn des Schuljahres 20/21 hatte das Gymnasium fertige Stunden- und Arbeitspläne für alle zu erwartenden Fälle erarbeitet, besprochen und mit entsprechenden Inhalten gefüllt“, erklärt der Internatsleiter Caspar van Laak. Frühzeitig seien für alle Mitarbeiter/innen und Schüler/innen Mebis-Zugänge erstellt, und Mitarbeiter vorbereitet und geschult worden. Alle, auch Eltern, wussten so bereits, wie in den verschiedenen Unterrichtsformen vorzugehen ist. Oberste Priorität sei jedoch stets geblieben, die Kinder und Jugendlichen möglichst lange im Präsenzunterricht zu halten. „Dafür wurden die großen räumlichen und personellen Ressourcen, die im Gymnasium und Internat Kloster Schäftlarn zur Verfügung stehen, ausgeschöpft“, sagt van Laak.

Es ging problemlos weiter: „Mit dem Einstieg in den Online-Unterricht konnte im Gymnasium nahtlos an die bis Weihnachten in Präsenz erarbeiteten schulischen Inhalte angeknüpft werden“, so der Internatsleiter. Aufgrund des Ganztagesmodells mit den entsprechenden Klassenteams aus Fachlehrern und pädagogischen Mitarbeitern in der Nachmittagsbetreuung seien im Onlineunterricht nicht nur die Fächer unterrichtet, sondern auch die Hausaufgaben betreut, zusätzlich geübt und die Schülerinnen und Schüler mit zahlreichen didaktischen Maßnahmen gefördert worden.

Auch soziale Aspekte sind wichtig in Schäftlarn: „Die Klassenteams, bestehend aus Fachlehrern und pädagogischen Mitarbeitern der Nachmittagsbetreuung, stehen auch im Onlineunterricht im ständigen Austausch, um Beobachtungen und Aussagen von und über die Schülerinnen und Schüler zusammenzutragen und so ein klares Bild vom emotionalen Zustand jedes einzelnen Kindes oder Jugendlichen zu erhalten“, erläutert van Laak. Gerade die Mitarbeiter der Nachmittagsbetreuung seien nicht nur in der Hausaufgabenbetreuung und der schulischen Hilfe präsent, sondern würden auch Extra-Videokonferenzen anbieten, in denen einzelne Schüler mit ihren Sorgen und Problemen betreut werden oder auch in den Gruppen gespielt, geratscht und gelacht wird. Ebenso werde gezielt der Austausch mit den Eltern gesucht, Rückmeldungen an sie erfolgten regelmäßig. „Die Schulpsychologin nimmt grundsätzlich an den Mitarbeiter-Videokonferenzen teil, steht für alle Mitarbeiter, Eltern, Schülerinnen und Schüler immer beratend und helfend bereit“, so van Laak.

Bavarian International School – ein sozialer Ort

Auch in der Bavarian International School (BIS), zu der ein Campus in Haimhausen und ein Campus in München-Schwabing gehören, hat man die Situation bestens im Griff. „Wie bei einem Lichtschalter sind wir inzwischen gewohnt, problemlos von einem Szenario auf das andere umschalten zu können. Dank des technologischen Vorsprungs und sehr digital-affinen Lehrern konnten wir vom ersten Tag an einen reibungslosen, maßgeschneiderten und ausbalancierten Distanz- und Hybrid-Unterricht anbieten“, schildert Dr. Chrissie Sorenson, Schuldirektorin und Vorstand der Bavarian International School. „Aber natürlich warten wir wie jede andere Schule auch sehnsüchtig darauf, wieder alle Schüler am Campus begrüßen zu dürfen – Schule ist ein sozialer Ort der persönlichen Interaktion.”

Egal, ob real oder virtuell – in der BIS versuchen alle, so viel sozialen Austausch wie nur möglich zu realisieren. „Wir arbeiten zum Beispiel mit ‚Class Buddies´, animieren zu Sport und Bewegung, legen bewusste Zeiten ohne Computer fest, organisieren kleine Spaß-Events wie eine Pyjama-Party oder einen School Spirit Day und bieten bei virtuellem Unterricht so genannte Break-Out-Rooms an“, zählt Sorenson auf.

Insgesamt biete die Bavarian International School ein professionelles Netzwerk an, das in der Region seinesgleichen suche: „Wir haben Mentoren je Klassenstufe, Vertrauens- und Förderlehrer, Spezialisten für psychologische Beratung und nicht zuletzt Krankenschwestern an jedem Campus. Damit sind wir in der Lage, sehr persönlich auf die Themen jedes einzelnen Kindes einzugehen.”

Brigitta Wenninger