Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. So versuchen immer Unternehmen zum Beispiel umweltfreundlich und klimaneutral zu produzieren und sozial gerecht zu handeln. Und sehr viele Hochschulen schreiben sich das Thema Nachhaltigkeit inzwischen auf die Fahnen. Sichtbar wird dies vor allem im Bereich der Lehre: Es werden jedes Jahr neue Studiengänge angeboten, bei denen es um die verschiedenen Facetten von Nachhaltigkeit geht. Sogar neue Fakultäten entstehen.

In Neuburg an der Donau wird langfristig ein Außencampus der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) für die neue Fakultät „Nachhaltige Infrastruktur“ mit 1 200 Studierende realisiert. Dafür wurden Flächen auf dem Areal der ehemaligen Lassigny-Kaserne erworben. Der Lehrbetrieb soll zum Wintersemester 2021/2022 starten. „Im Mittelpunkt der Studienangebote stehen die Themen Bau, Energie und Umwelt“, heißt es in einer Pressemitteilung der TH Ingolstadt. Zunächst sollen 80 Studierende mit den bayernweit einzigartigen Bachelor-Studiengängen „Nachhaltigkeits– und Umweltmanagement“ sowie „Wirtschaftsingenieurwesen Bau“ starten.

Lernen, forschen und wohnen

Geplant ist zudem die Errichtung eines Modulbaus für rund 500 Studierende. Die Nutzung soll zum Wintersemester 2022/23 beginnen. Dann werden die Studiengänge „Bauingenieurwesen“ und „Digitale Gebäudetechnik“ hinzukommen. Der erste Bauabschnitt, der die Sanierung der Altbauten und die Errichtung von Neubauten umfasst, wird voraussichtlich bis 2025/26 abgeschlossen sein. Bis dahin wird das Studienangebot weiter wachsen. Es kommen zunächst die Bachelorstudiengänge „Verkehrs- und Infrastrukturtechnik“ und „Umwelt- und Energieingenieurwesen“ hinzu. Bis 2030 werden insgesamt elf Bachelor- und Masterstudiengänge sukzessive aufgebaut. „Mit dem Campus Neuburg schaffen wir ein lebendiges Wissensquartier auf dem die Studierenden lernen, forschen und wohnen können“, erklärt Professor Walter Schober, Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt.

Beim neuen Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen – Bau“ ist laut TH Ingolstadt einer der Schwerpunkte die Nachhaltigkeit im Bauwesen. Interdisziplinär, zukunftsorientiert und praxisnah werde darin ein fundiertes Ingenieurwissen in Kombination mit effizientem Management-Know-how vermittelt. „In kleinen Gruppen erhalten die Studierenden eine optimale Betreuung und begleiten als Pioniere den Aufbau des neuen Campus“, schreibt die TH in einer Broschüre. „Wirtschaftsingenieurwesen – Bau“ könne auch dual studiert werden. Damit würden die Praxiselemente des Studiums, das betriebliche Praktikum sowie die Projekt- und Abschlussarbeit im Verbund mit einem Unternehmen insbesondere der Bauwirtschaft vertieft. Zudem sei eine Kombination mit einer Berufsausbildung möglich, zum Beispiel zum Bauzeichner oder Bautechnischen Assistenten.

Der Studiengang „Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement“ wiederum soll Studierende darauf vorbereiten, „nach ihrem Abschluss den notwendigen Wandel im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen und in der Gesellschaft zu gestalten“. Es gehe darum, fundiert Theorien, Methoden und Instrumente kennenzulernen, das Erlernte praxisrelevant anzuwenden und bestehende Herausforderungen kritisch zu reflektieren.

Verständnis von Nachhaltigkeit schärfen

In Bayern haben im März die Präsidenten und Präsidentinnen aller 31 staatlichen und staatlich anerkannten Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften sowie der Hochschule für Musik und Theater München das Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit von Hochschulen im Rahmen des Netzwerks Hochschule und Nachhaltigkeit (MoU) unterzeichnet. Initiiert wurde dieses Mitte 2019. Ziel ist es, Hochschulakteurinnen und -akteure dabei zu unterstützen, die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung von bayerischen Hochschulen zu verbessern.

An der Technischen Universität München (TUM) ist Nachhaltigkeit schon seit langem ein Kernthema. Sie bietet zum Beispiel an ihrem Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit (TUMCS) ein interdisziplinäres Studienangebot, das deutschlandweit einzigartig ist. Im Mittelpunkt steht die gesamte Wertschöpfungskette biogener Rohstoffe –

vom Anbau, der effizienten chemischen und werkstofflichen Nutzung und der energetischen Verwertung bis zu ökonomischen Aspekten rund um die Erzeugung, Vermarktung und Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen. Am Campus Straubing bündelt die TUM ihre Kompetenz und Aktivitäten im Bereich der Bioökonomie. Natur-, Ingenieur-, Ökosystem- und Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler arbeiten dort zusammen.

Es gibt keinen „Planet B“

Professor Volker Sieber, Rektor des TUMCS, hat kürzlich in einem Interview mit dem Verein deutscher Ingenieure (VDI) erklärt, warum sich sein Campus für das Thema Nachhaltigkeit stark macht. „Weil die Themen Nachhaltigkeit, Bioökonomie, Nutzung von energieeffizienten Verfahren und Umstellung auf eine biobasierte Wirtschaftsweise unabdingbar, sind, um unseren Planeten lebenswert zu halten. Es gibt keinen ‚Planet B‘.“ Um dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Nutzung endlicher, fossiler Energieträger zu bremsen, seien neue Technologien und Wirtschaftsweisen nötig. Und genau diese würden am TUMCS erforscht und gelehrt.

Am Campus in Straubing wurden im vergangenen Wintersemester 580 Studierende gezählt, das entspricht einem Zuwachs von rund 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit dem Wintersemester 2020/2021 neu angeboten wird unter anderem der Bachelorstudiengang „Biogene Werkstoffe“. In ihm werden Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ausgebildet, die laut TUM „den Herausforderungen unserer sich wandelnden Welt gewachsen sind“. Nur so könne erfolgreich von fossilen auf nachwachsende Rohstoffe umgestiegen werden. Neu ist auch der Masterstudiengang „Bioeconomy“. „Die Bioökonomie zielt auf einen gesamtwirtschaftlichen Strukturwandel hin zu einer global nachhaltigen Entwicklung“, erklärt die Uni dazu in einer Pressemitteilung. Der Masterstudiengang verbinde Inhalte aus Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurswissenschaften und Naturwissenschaften.

Im Einklang mit Ökonomie und Ökologie

Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) – ein Kooperationspartner des TUM-Campus in Straubing – führt zum Wintersemester 2021/22 zwei neue Bachelorstudiengänge an der Fakultät „Nachhaltige Agrar- und Energiesysteme“ ein: „Agribusiness“ löst das Vorgängermodell „Wirtschaftsingenieurwesen, Agrarmarketing und Management“ ab. Das Angebot soll die Studierenden fit machen in der Verzahnung von Ökonomie, Landwirtschaft und digitaler Technologie. Vermittelt wird die Mehrfachqualifikation von Agrar- und Businessfachwissen. Ziel ist, „dass die Absolventinnen und Absolventen den steigenden Ansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie den zunehmenden Forderungen an eine Landwirtschaft im Einklang mit Ökonomie und Ökologie sinnvoll begegnen können“, heißt es in einer Pressemitteilung der HSWT.

Der zweite Studiengang, „Bio-Lebensmittel & Business“, bereitet auf Tätigkeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Bio-Lebensmitteln vor. „Er vermittelt das Verständnis für die Bedingungen in der biologischen Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung, als Voraussetzung dafür, die Schnittstellen der Vermarktung bis hin zum Konsum optimieren zu können“, heißt es weiter. Ziel sei, das zukünftige Ernährungssystem in einem Gleichgewicht von ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten zu gestalten – und beispielsweise die Herausforderungen des Klimawandels mit einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung in Einklang zu bringen. Brigitta Wenninger