Digitale Schule: Wie wird der Unterricht zukunftsfähig?
Die Corona-Krise hat es noch einmal verdeutlicht: An den Schulen in Deutschland ist der digitale Wandel noch nicht flächendeckend angekommen. Denn: Mit einem Klassensatz Tablets allein ist es nicht getan. Gefragt sind neue Lernkonzepte – und Fortbildungen für Lehrkräfte.
Unterricht, in dem digitales Lernen ganz selbstverständlich dazugehört – für etwa fünfzig Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler ist das noch Zukunftsmusik. Nur an jeder zweiten Schule steht allen Lernenden WLAN zur Verfügung, auch an Endgeräten mangelt es. Deutschland hinkt im europäischen Vergleich in Punkto digitale Medien im Unterricht hinterher, das ergab auch eine Sonderauswertung der PISA-Ergebnisse im September 2020. Dabei hatte die Bundesregierung 2018 einen Digitalpakt verabschiedet, der die Schulen mit insgesamt fünf Milliarden Euro unterstützen soll.
Was ist da schiefgelaufen? „Wir müssen dafür sorgen, dass diese Mittel unbürokratischer fließen und schneller an den Schulen ankommen“, sagt Daniel Breitinger vom Digitalverband Bitkom. Auch dass Bildung in Deutschland Ländersache ist, verlangsame den Prozess. Breitinger und seine Kollegen setzen sich für eine Föderalismusreform ein: „Wir brauchen bundesweite Standards dafür, wie Digitalisierung an der Schule aussehen soll. Es darf nicht sein, dass meine digitale Bildung davon abhängt, wo in Deutschland ich aufwachse.“
Rolle der Lehrkräfte ändert sich
Genügend Smartboards, Tablets oder Kommunikationstools für alle Schüler sind ein erster Schritt in Richtung digitale Schule. Genauso wichtig: Lehrkräfte, die neue Medien und Bildungsinhalte in den Unterricht integrieren. Daher fordert der Branchenverband Bitkom, die Lehrer bundesweit und fortlaufend weiterzubilden. „Die Lehrkräfte benötigen Unterstützung dabei, bestehende Lehrinhalte in die digitale Welt zu übersetzten. Und dafür braucht es viel mehr, als ein analoges Arbeitsblatt zu digitalisieren – es geht um eine völlig neue Herangehensweise“, erklärt Daniel Breitinger. Sprich: Die Art, wie Wissen vermittelt wird, ändert sich – sie geht weg vom Frontalunterricht, hin zum projektorientierten Lernen. Die Pädagogen sind nicht mehr in erster Linie Wissensvermittler, sondern Lernbegleiter – und haben durch die digitalen Hilfsmittel mehr Freiräume, auf die Bedürfnisse schwächerer Schüler einzugehen. All dies braucht Zeit – und oft auch etwas Fingerspitzengefühl: „Wir müssen den Lehrkräften aufzeigen, welche Vorteile die Tools mit sich bringen. Und dass sie von der Digitalisierung nicht ersetzt, sondern unterstützt werden.“
Wettbewerb für digitale Vorreiter
Um das Bewusstsein für den digitalen Wandel voranzutreiben, hat die Bitkom den Wettbewerb Smart School ins Leben gerufen. Jedes Jahr zeichnet eine Jury Schulen aus, die bereits eine digitale Infrastruktur haben, Lehrkräfte weiterbilden und neue pädagogische Konzepte einsetzen. „Es geht aber nicht darum, schon alles perfekt zu machen, sondern voneinander zu lernen und digitale Erfolge und Rückschläge zu teilen. Wir wollen zeigen, dass es bereits eine Menge Schulen in Deutschland gibt, die auf einem guten Weg sind“, erläutert Bildungsreferent Daniel Breitinger. Von dem Netzwerk profitieren auch Schulen, die noch keine Smart Schools sind: „Interessierte Lehrkräfte können an einer unserer Schulen hospitieren und so miterleben, wie dort der Unterricht abläuft.“ Außerdem finden sich auf der Webseite der Bitkom-Initiative „erlebeIT“ Unterrichtsmaterialen zum Download. Etwa dazu, wie Lehrkräfte YouTube sinnvoll in ihren Unterricht einbauen können.
Digitaler Unterricht bildet moderne Lebenswelten ab
Wie sieht es eigentlich mit kritischen Stimmen gegenüber digitalen Konzepten im Unterricht aus? Noch immer gibt es Eltern, die ihre Kinder am liebsten möglichst lange vom Tablet fernhalten möchten. Daniel Breitinger: „Wir müssen die Schüler dazu befähigen, sich kritisch in einer digitalisierten Welt zu bewegen. Und das lernen sie besser von einer ausgebildeten Lehrkraft, als wenn sie sich daheim unbeaufsichtigt berieseln lassen.“ Digitaler Unterricht als Vorbereitung auf ein Leben, aus dem das Internet nicht mehr wegzudenken ist – hoffentlich bald für alle Schüler Alltag.
Ineke Haug